Diabetes
und Sport
Sport
und strenge Diät wurden zur Zeit der konventionellen Insulintherapie
nicht zur Behandlung des Diabetes mellitus verwendet, sondern
dienten lediglich zur Wiedergutmachung einer mangelhaften Insulintherapie.
Doch bei dem heutigen Stand der Diabetologie, dank der modernen,
schnellen und praktischen Blutzuckerselbstmessungen, der intensivierten
Insulintherapie oder gar der Insulinpumpentherapie, die fast als
ideale Insulinsubstitutionen bezeichnet werden können, sind Diät
und Sport als Therapiepfeiler überholt. Viele Artikel haben sich
schon ausführlich mit der liberalisierten Diät beschäftigt, das
Buch, " das Diabetes - Diät - Dilemma" von Prof. Dr. med. Ernst
Chantelau aus Düsseldorf, erhältlich über den Kirchheim Verlag,
gibt hier ausführlichst Auskunft. Liberalisierte Diät bedeutet
jetzt nicht blindlings draufloszuessen, ohne genaue Kenntnisse
darüber zu haben, wie man die Insulindosis an die eingenommenen
Kohlenhydrate anzupassen hat. Aber dies soll auch nicht Thema
dieses Artikels sein. Aber es sollte allen Diabetikern, genauso
wie Stoffwechselgesunden möglich sein, den Sport ihrer Wahl in
der von ihnen gewünschten Intensität, Dauer und Zeit durchzuführen.
Dabei möchte ich als Einleitung noch ganz deutlich herausstellen,
daß ich damit primär Diabetiker meine, die noch frei von diabetischen
Folgeerkrankungen, wie z.B. einer Retinopathie, Nephropathie,
Neuropathie sind und auch keinen Hypertonus oder andere gravierende
Erkrankungen haben. Auch für diese Diabetiker ist es durchaus
noch möglich, wenn auch manchmal in begrenztem Rahmen, sich körperlich
zu betätigen, aber dies muß in einem individuellen Gespräch mit
einem versierten Diabetologen abgeklärt werden.
Alle Studien der letzten Jahre haben zweifelsfrei gezeigt, daß
der Verlauf dieser chronischen Stoffwechselerkrankung maßgeblich
von der "Einstellung" des betroffenen Diabetikers abhängig ist.
Diese Einstellung ist untrennbar verbunden mit der individuellen
Selbsteinschätzung des Betroffenen, seinem Verhältnis zu und mit
seinem eigenen Körper. Über den Sport erfahren viele der Aktiven
eine deutliche Steigerung ihrer persönlichen Lebensqualität, des
Selbstwertgefühls und -bewußtseins. In dem Sinne, den der Sportmediziner
und -soziologe Josef Nöcker sehr treffend formuliert hat -
"Es darf nicht nur die Frage gestellt werden, was leistet der
Mensch sportlich, sondern man muß vielmehr auch die Frage stellen,
was leistet der Sport menschlich"
- sollte die körperliche Belastung als ein nicht zu unterschätzender
Faktor für die Betreuung von Diabetikern angesehen werden.
Doch damit diese Wirkung die Möglichkeit erhält, sich entfalten
zu können, müssen verschiedene Einschränkungen und Restriktionen
von diabetologischer Seite her gelockert und aufgehoben werden.
Unsere Aufgabe beim heutigen Stand der Diabetologie ist nicht
mehr zu reglementieren und zu verbieten sondern zu motivieren
und zu bestärken - dies kann nur durch wirkliches zuhören und
zutrauen effektiv umgesetzt werden.
Kaum etwas entbindet so viele Kräfte in einem Menschen, wie das
glaubhaft erwiesene Vertrauen (Anton Kner). Wenn ein solches Vertrauen
von Beginn an auch den Diabetikern entgegengebracht wird, in ihre
eigene Souveränität und in ihre Fähigkeiten, bin ich davon überzeugt,
eine solche Einstellung seiner sozialen wie medizinischen Umwelt
läßt in diesen Diabetikern ein Selbstvertrauen zu sich und in
die eigenen Leistungsfähigkeit (physisch wie psychisch) wachsen,
das wohl den Grundstein dazu legt, sich jahrzehntelang erfolgreich
mit dieser chronischen Erkrankung zu arrangieren.
Aber um im Sport diese positiven Erfahrungen machen zu können,
müssen die durch die vermehrte Belastung möglichen Gefahren der
Hypo- oder Hyperglykämie ausgeschlossen werden. Welche Maßnahmen
dazu im Vorfeld getroffen werden können, soll im nachfolgenden
Abschnitt erklärt werden:
Anpassung der Therapie an körperliche Belastung.
Es muß in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß der
Begriff "sportliche Betätigung" nicht als Synonym für Leistungssport
gewertet werden darf. Auch die ganz alltäglichen Tätigkeiten wie
Gartenarbeit, Frühjahrsputz, ein anstrengender Wochenendeinkauf
oder ein ausgedehnter Sonntagsspaziergang können eine außerordentliche
Belastung darstellen und eine schwere Stoffwechselentgleisung
zur Folge haben, wenn keine Therapieanpassung vorangegangen ist.
Auch wenn der Sport heutzutage glücklicherweise nicht mehr als
Therapie oder Zwang verordnet wird, ist es gleichermaßen unmöglich,
fertige Rezepte zur Insulin- und Kohlenhydratanpassung unter körperlicher
Belastung u liefern. Auf die immer wieder gestellten Fragen...
- Wieviele BE muß ich zusätzlich essen, wenn ich zwei Stunden
spazierengehe?
- Wieviele Einheiten Insulin muß ich weniger spritzen, wenn ich
eine Stunde schwimme?
...wird es nie eine allgemeingültige Antwort geben. Denn Sport
ist nicht gleich Sport, und dasselbe Maß an körperlicher Bewegung
bedeutet noch lange nicht für jeden das gleiche.