Schulsport:
Bericht einer Schülerin (15 Jahre)
Im Großen und Ganzen haben heutzutage die wenigsten Schüler Probleme
wegen ihres Diabetes mit den Sportlehrern. Es gibt aber immer
noch ein paar Ausnahmen, bei denen noch Schwierigleiten auftauchen.
Ganz, ganz wichtig ist es, dass der Sportlehrer über den Diabetes
des Schülers Bescheid weiß. Vor allem bei einem Schul- oder Lehrerwechsel
kann es sonst schnell zu Schwierigkeiten kommen, wenn diese Informationen
nicht rechtzeitig weitergegeben werden. Der Schüler mit Diabetes
informiert am besten gemeinsam mit seinen Eltern den Fachlehrer
über die Verhaltensweisen in Notfallsituationen. Wenn die Schüler
später alt genug sind, können sie dies selbstverständlich auch
ihre ohne Eltern machen. Dazu gehört unter anderem auch die Handhabung
der Glukagonspritze. Am besten ist, den Lehrern diese Informationen
auch noch zusätzlich schriftlich mitzugeben, viele haben ja vorher
noch nie etwas über Diabetes gehört. Je mehr ein Lehrer weiß,
desto besser kann er einen Schüler in seiner Diabetesbehandlung
unterstützen.
Ich habe seit neun Jahren Diabetes, bin jetzt 15 Jahre alt und
behandele mich seit drei Jahren mit der Disetronic V 40 Insulinpumpe
und dem Analoginsulin Humalog U 40. An unserer Schule ist es üblich,
dass die Sportlehrer uns darüber informieren, was in der folgenden
Sportstunde auf dem Programm steht. Das heißt, ich kann meinen
Blutzucker genau auf diese Situation abstimmen. Wenn das an anderen
Schulen nicht üblich ist, dürfte es aber kein Problem sein, dem
Sportlehrer zu erklären, warum ein Schüler mit Diabetes diese
Informationen braucht, und ihn dann einfach immer zu fragen, was
in der nächsten Sportstunde dran kommt. Wenn wir nur eine Einzelstunde
Sport haben, die nicht anstrengend ist und deshalb meinen Blutzucker
nicht deutlich absenken wird, führe ich vorher keine gravierende
Dosisanpassung durch. Ich kontrolliere lediglich vorher meinen
Blutzucker und esse entsprechende BE, damit er über 150 mg/dl
liegt. Mehr ist in einem solchen Fall nicht erforderlich. Nach
der Sportstunde kontrolliere ich zur Sicherheit noch mal meinen
Blutzucker, aber meistens brauche ich dann keine weiteren Kohlenhydrate
mehr zu essen.
Wenn wir allerdings eine Doppelstunde Schulsport haben, z. B.
Leichtathletik mit gezieltem Ausdauertraining, muss ich auf jeden
Fall eine Stunde vorher auch meine Basalrate verringern. Ich reduziere
je nach Sportprogramm die Basalrate eine Stunde vor Beginn des
Sportunterrichts um 20-50 %. Wenn ich die Basalrate reduziere,
messe ich auch gleich meinen Blutzucker. Ich peile einen Ausgangsblutzuckerwert
über 150 mg/dl an, bei einem tieferen Wert esse ich dann eine
entsprechende Menge Kohlenhydrate. Da ich die Blutzuckerkontrolle
eine Stunde vor Beginn des Sports durchführe, kann ich dann auch
einen Schokoriegel oder ein Eis essen, auch diese ansonsten langsamen
Kohlenhydrate sind nach einer Stunde im Blut angekommen.
Mit der Pumpe und dem Humalog ist es kein Problem die Insulinzufuhr
auch ganz kurzfristig zu reduzieren. Ich teste meinen Blutzucker
nach der Hälfte des Sportunterrichts noch mal und trinke dann
soviel Saft oder Cola, dass der Blutzucker wieder über 150 mg/dl
ansteigt. Nach dem Sport messe ich wieder, esse bei Werten unter
100 mg/dl zusätzliche BE und lasse die Basalratenreduktion um
20-50 % noch für zwei Stunden weiterlaufen. In meiner Sporttasche,
die ich mit in die Halle oder auf den Leichtathletikplatz nehme,
habe ich immer eine Glukagonspritze, mein Messgerät und ausreichend
Kohlenhydrate in Form von Carrero Glukose-Gel, Cola (keine light!!)
und Saft. Weiterhin noch lang wirkende Kohlenhydrate in Form von
Brot, Obst oder Schokoriegeln.
Doch gerade als Insulinpumpenträgerin ist es nicht nur wichtig,
auf Unterzuckerungen zu achten, sondern auch immer daran zu denken,
dass bei einem Problem mit der Pumpe oder dem Katheter eine Ketoazidosegefahr
besteht. Gerade im Sommer, wenn ich mich in der Pause viel bewege
und schwitze, kann es vorkommen, dass die Nadel aus der Haut rutscht.
Sowas passiert zwar extrem selten, aber wenn mein Blutzucker vor
der Sportstunde (aber auch sonst) über 250 mg/dl liegt, suche
ich sofort nach der Ursache und mache einen Azetontest. Die Streifen
habe ich auch in der Schule immer dabei. Wenn ich Azeton im Urin
habe, darf ich auf keinen Fall beim Sportunterricht mitmachen.
Ich würde mich dann von meiner Mutter abholen lassen und alle
erforderlichen Maßnahmen, die ich in der Pumpenschulung gelernt
habe, durchführen. Das ist bei mir bis jetzt aber noch nie vorgekommen.
Der Diabetes war und ist für mich nie ein Hinderungsgrund gewesen,
am Schulsport teilzunehmen. Ich hatte auch beim Sport noch nie
ein Problem mit schweren Unter- oder Überzuckerungen. Der Sportlehrer
darf meiner Meinung nach auch keinem Schüler aufgrund seines Diabetes
die Teilnahme am Schulsport generell verbieten.
Erfahrungsbericht von Andreas Alt
Radrennen
Ich heiße Andreas und bin 13 Jahre alt, seit 12 Jahren habe ich
Typ-1-Diabetes. Meinen Diabetes behandele ich mit der intensivierten
Insulintherapie. Ich spritze 6mal pro Tag, benutze aber keine
Pens, weil ich mit normalen Insulinspritzen das Insulin mischen
kann und so nicht noch häufiger spritzen muss. Mit dem Radrennsport
habe ich vor fast zwei Jahren angefangen. Sportlich war ich schon
immer, so lange ich denken kann, habe ich mich gerne bewegt und
war deshalb von frühester Kindheit an in Sportvereinen aktiv.
Mit 3 ½ Jahren habe ich mit dem Judo angefangen. Mit 6 Jahren
wechselte ich dann in den Handballverein und mit 9 Jahren ging
ich in den Schwimmverein. Der Schwimmverein wollte mich anfangs
wegen meines Diabetes gar nicht aufnehmen. Sie meinten, ihr Training
wäre zu leistungsorientiert ausgerichtet. Doch ich wollte damals
schon beweisen, dass ich genauso gut wenn nicht besser bin, als
mancher Mitschwimmer ohne Diabetes. Ich schaffte es und habe bei
Wettkämpfen viele gute Plätze erschwommen. Trotzdem wurde ich
weiterhin anders behandelt, ich durfte wegen meines Diabetes z.
B. nicht mit ins Trainingslager fahren.
Neben dem Schwimmen fuhr ich noch mit meinem Vater Rennrad. Bald
konnte ich mühelos immer größere Strecken mithalten. Trotz großer
Proteste meiner Eltern wechselte ich dann in den Radrennverein.
Sie waren immer dagegen gewesen, weil sie Angst hatten, ich könnte
mich schwer verletzten. Außerdem hatten sie Bedenken, dass ich
mit meinem Diabetes so starken Belastungen nicht gewachsen wäre.
Dazu kommen noch die sehr hohen Kosten des Radrennsports, alleine
ein richtiges Rennrad ist irre teuer. Trotzdem fuhr ich beim Radrennverein
vor und war sofort begeistert dabei. Dort wurde ich so akzeptiert,
wie ich bin und es gab nie Probleme mit meinem Diabetes. Im Gegenteil,
wenn es mir mal nicht gut ging, haben sich alle sofort um mich
gekümmert und mich gefragt, ob sie mir irgendwie helfen könnten.
Mittlerweile ist diese Sportart sehr wichtig für mich geworden.
Ich trainiere 2-3 mal pro Woche auf der Straße, um Kondition und
Kraft für lange Strecke zu bekommen und 2-3 mal pro Woche auf
der Radrennbahn, um das Sprinten zu trainieren. Bei jeder Trainingseinheit
absolviere ich 50-120 km. Im Winter haben wir ausschließlich Hallentraining
und gehen Joggen für die Ausdauer. Als zusätzliches Konditionstraining
schwimme ich 3 mal pro Woche im Verein zwischen 2-4 km alle Lagen.
Vor dem Schwimmtraining (Beginn 19.00 Uhr) reduziere ich meine
Humalogdosis zum Abendessen um mindestens 30 %. Vor dem Umziehen
in der Kabine messe ich noch mal meinen Blutzucker, bei Werten
von 80-150 mg/dl trinke und esse ich noch 2-3 BE, z. B. Apfelsaftschorle
und eine Banane. Das Radtraining beginnt um 17.30 Uhr. Ich esse
vor dem Training und reduziere hier ebenfalls meine Humalogdosis
um 30 %. Ich stecke mir Carrero Glukose-Gel, Energieriegel und
Bananen in die Taschen meines Radtrickots und trinke regelmäßig
Apfelsaft oder andere kohlenhydrathaltige Getränke, die ich mir
je nach Trainingsbelastung entsprechend zusammenmixe. Nach dem
Training messe ich dann sofort wieder meinen Blutzucker und esse
zusätzliche Kohlenhydrate, wenn dieser unter 120 mg/dl liegt.
Meine Insulindosis für das Abendessen und zur Nacht verändere
ich während des Trainings nicht, da ich täglich trainiere. Deshalb
ist das Einheiten/BE Verhältnis und die nächtliche Verzögerungsinsulindosis
auf diese Belastungen abgestimmt. Nur wenn ich mal an einem Tag
nicht trainieren sollte, müsste ich meine Insulindosis erhöhen.
Ich habe schon mal versucht, nach einem trainingsfreien Tag die
gleiche Menge Verzögerungsinsulin zu spritzen, dann hatte ich
aber am nächsten Morgen viel zu hohe Nüchternblutzuckerwerte,
die sich auch wegen des fehlenden Muskelauffülleffektes nur mit
deutlich höherem Korrekturfaktor runterspritzen ließen. Die erste
Hälfte der Saison habe ich sehr viel mit meiner Therapieanpassung
beim Radfahren ausprobiert. Das bedeutet, ganz häufig den Blutzucker
messen, unterschiedliche Kohlenhydrate ausprobieren und die entsprechende
Insulindosisreduktion herausfinden. Nicht immer hatte ich beim
Training gute Blutzuckerwerte und oft hat mich diese ganze Austesterei
ganz schön genervt. Meine Teamkollegen setzen sich einfach aufs
Rad und fahren los und ich muss erst messen, km, Dauer, Intensität
berechnen, essen, die erforderliche Insulindosisreduktion ermitteln
und kann dann erst losfahren. Währenddessen und danach wieder
das gleiche Spielchen. Manchmal hatte ich dann auch einfach keine
Lust mehr und habe gedacht, das passt schon so alles wie immer,
aber das ging meistens nicht gut. Deshalb muss ich so lange alles
im Training austesten, bis ich die optimale Abstimmung für den
Wettkampf gefunden habe.
Ab April bis September findet fast jedes Wochenende ein Rennen
statt. Die Starts sind in ganz Bayern, manchmal sogar in anderen
Bundesländern. Meistens sind die Rennen zwischen 20 bis 40 km
lang, aber vom Streckenprofil her unterschiedlich anspruchsvoll.
Das Feld beträgt zwischen 40 bis 60 Fahrern. Ich konnte für meine
Schülerklasse bis jetzt ganz passable Ergebnisse einfahren, der
ganz große Wurf war leider noch nicht drin, weil ich erst 12 Jahre
alt war und die meisten anderen schon 14. Trotzdem war ich 3 mal
Dritter, 1 mal Vierter, 3 mal Fünfter und viele weitere Male unter
den ersten Zehn.
Der Saisonhöhepunkt war für mich im Jahre 2000 die Süddeutsche
Meisterschaft in Hirschaid Polanden (Kaiserslautern). Die Rennstrecke
ging über 43 km und das Teilnehmerfeld war mit 150 Startern besetzt.
Der Start war um 14.00 Uhr. Am Abend vorher habe ich eine große
Portion Nudeln gegessen, um meine Kohlenhydratspeicher gut zu
füllen, das mache ich vor jedem Rennen so und bin früh ins Bett
gegangen. Mein Nüchternblutzucker lag am Renntag bei 112 mg/dl
und ich habe sicherheitshalber mein Verzögerungsinsulin um 40
% reduziert. Vier Stunden vor Beginn des Rennens aß ich nochmals
einen großen Teller Nudeln, den ich auf 8 BE schätzte. Eine Stunde
vor Rennbeginn habe ich noch mal meinen Blutzucker gemessen, der
lag bei 141 mg/dl. Das war für dieses sehr anspruchsvolle Rennen
eindeutig zu niedrig. Ich habe dann einen Power-Bar Riegel gegessen,
die finde ich für Ausdauerbelastungen optimal. Um für den Schlussspurt
noch genügend Energie zu mobilisieren zu können, habe ich nach
der Hälfte des Rennens dann noch ein Carrero Glukose-Gel und einen
weiteren Power-Bar Riegel gegessen. Die Wirkung dieser Kohlenhydrate
kann ich genau abschätzen, da ich das im Training dutzendfach
ausgetestet habe. Selbstverständlich habe ich während des Rennens
auch kontinuierlich getrunken, für diesen Wettkampf hatte ich
eine Mischung mit hohen Kohlenhydratanteil gewählt. Ein Defekt
am Hinterrad vereitelte dann einen Platz im vorderen Feld. Trotz
dieses Materialschadens bin ich aber noch ins Ziel gekommen, leider
nur auf einem sehr unbefriedigenden 70. Platz. Doch mein Verein
war trotzdem sehr zufrieden mit mir, weil ich als einziger Fahrer
die Qualifikation für die Süddeutsche Meisterschaft geschafft
habe.
Nicht jedes Rennen verläuft gut, 4-5 Stürze im Jahr sind normal,
auch für Radrennfahrer ohne Diabetes. Die Therapieanpassungen
sind sehr anspruchsvoll, es ist ein sehr schmaler Grad, punktgenau
den Blutzuckerwert zu erreichen und zu halten, bei dem ich optimal
leistungsfähig bin. Denn bei zu niedrigen Ausgangswerten kann
ich gleich aufgeben, mit zu hohen Blutzuckerwerten fahre ich aber
auch nicht mehr unter die ersten Fünf. Aber letztes Jahr habe
ich viel gelernt, und ich wünsche mir dieses Jahr viele gute Platzierungen.
Inzwischen haut es nämlich mit den Dosisanpassungen ziemlich exakt
hin. Das Radrennfahren ist sehr teuer, auch die ständigen Fahrten
zu den Rennen kosten ganz schön viel. Ich habe zwar schon einiges
an Prämien eingefahren, wenn ich unter den ersten 10 bin, doch
das Geld geht immer sofort fürs Fahrradmaterial drauf. Aber trotz
Stürzen, Taschengeld sparen und sehr viel Aufwand bei der Diabetestherapie
ist das Rennradfahren der allerschönste Sport für mich.
Einen Satz noch zum Schulsport, der Sport Einser war mir immer
sicher. Alle Schwimmabzeichen bis hin zum Goldenen habe ich problemlos
gemacht. Für den Schulsport muss ich nicht einmal mehr das Insulin
reduzieren. Die Belastung ist für mich so gering, dass ich allerhöchstens
bei einem zu niedrigen Ausgangsblutzucker vorher eine BE esse.
Der Diabetes hat mich nie gehindert, im Leistungssport erfolgreich
zu sein und so soll es auch in Zukunft bleiben.